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König der
Raubtiere? |
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Die bisher vorgestellten Nahrungsketten
stellen eine große Vereinfachung der wirklichen Welt dar.
Viele weitere Arten sind daran beteiligt. Sie können ihr Verhalten
und ihre Umgebung während verschiedener Stufen ihres Lebens
ändern, zu unterschiedlichen Jahreszeiten und in den verschiedensten
Gegenden der Arktis. Ein wahrheitsgemäßeres Bild wird
von den Inuit und Cree anhand der Hudsonbay-Nahrungskette aufgezeichnet.
Hier verzahnen sich das marine, terrestrische und Süßwassersystem,
von äußeren Ring der Vegetationsquelle über die
Pflanzenfresser und anderen Räuber in sukzessiven, enger werdenden
Kreisen bis zu den Inuit und Cree im Zentrum. Es gibt vielfältige
und sich überlappende Verbindungen, die Nahrungsquellen wechseln
sich jahreszeitlich ab. |
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Die Stellung des Menschen als Räuber
am Ende der Nahrungskette hat unglückliche Konsequenzen, besonders
für die indigenen Völker. Eine wichtiges physiologisches
Merkmal vieler in der Arktis lebender Tiere ist die Speicherung
von Fett als Isoliermaterial und als Nahrungsreserve. Das hat dazu
geführt, daß die persistenten organischen Schadstoffe
mit ihrer im allgemeinen guten Fettlösligkeit sich entlang
der Nahrungskette anreichern, auch wenn sie nur in geringen Mengen
in der Umwelt vorkommen. Daher werden diese Stoffe in signifikanten
Mengen in den Menschen der Arktis gemessen. |
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Die indigenen Völkern haben ihre
Art der Ressourcenausbeutung auf nachhaltige Weise in Jahrtausenden
bewahrt. In den letzten Jahrhunderten haben Walfänger, Jäger,
Trapper und Fischer der südlicheren Breiten die Rohstoffe des
Nordens in zunehmendem Maße ausgebeutet. Aus diesem Grunde
sind starke Populationsabnahmen oder Fluktuationen zu verzeichnen,
z.B. weil Fischbestände überfischt wurden, oder wenn Raubtiere
sich neuen Opfern zuwenden, da ihre bisherige Nahrung durch den
Menschen reduziert worden ist. Kabeljau, Hering und Lodde stellen
bereits seit einigen Jahrhunderten den Hauptfischfang, die Ausbeutung
des Kabeljau-Fanggründe hat das Schicksal und die Kulturen
vieler Nationen beeinflußt. Aber sogar der sehr fruchtbare
Kabeljau, einer der Hauptnährfische für große Meeressäugetiere
und selber Raubfisch vieler kleiner Fischarten, ist in seinen Beständen
so reduziert worden, daß er nur noch ein Schatten seiner selbst
ist - reduziert vom mächtigsten aller Raubtiere - dem Menschen! |
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Der Mensch ist nicht nur der allergrößte
Räuber. Er ist ein untrennbarer Bestandteil des arktischen
Ökosystems, mit weitreichendstem Einfluß, direkt und
indirekt, in einem Kontinuum, welches von den direkten Einwirkungen
von Jagd und Fischerei bis zu den diffusen und undeutlichen Einwirkungen
von Umweltverschmutzung, Einleitung von Treibhausgasen oder der
Weltwirtschaft reicht. Viele der vom Menschen angenommenen Anpassungen
entsprechen denen von Tieren, von der Wärmeisolation durch
Kleidung bis zum Weiterzug in andere Gebiete, wenn die Bestände
eines Jagdtieres erschöpft sind. Wir haben die Neigung, uns
als etwas besonderes zu betrachten, dieser anthropozentrische Blickpunkt
verstellt uns aber die Sicht auf unsere Einheit mit dem Rest der
Natur. So wird auch künstlich unterschieden zwischen natürlichen
und vom Menschen geschaffenen Ökosystemen, wo doch alle Ökosysteme
vom Menschen beeinflußt werden. Es handelt sich höchstens
um die Frage inwieweit und nach welchen Mechanismen dieser Einfluß
abläuft. Wir sind daher alle ein Teil des arktischen Ökosystems.
Oder kann es sein, daß die Arktis eigentlich ein Teil eines
noch größeren Ökosystem ist - des globalen Ökosystems
- Gaia - die von James Lovelock so postulierte, sich selbstregulierende
Erde. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte. |
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