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Die Arktis IST ein Ökosystem
by Bill Heal
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Materialtransport: Der Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf(zyklus)
  Die Nahrungskette ist ein Indiz dafür, auf welche Art und Weise der Stoffwechsel in Ökosystemen vor sich geht. Beim ersten Blick sieht alles sehr effektiv aus - in Bezug auf die Produktivität ist jedoch das Gegenteil der Fall. Der Transfer von der Pflanzen über Pflanzenfressern zu verschiedenen Stufen von Fleischfressern resultiert in einem Produktionsabfall von mehr als 95% - von Stufe zu Stufe! Zum Beispiel wird die jährliche Pflanzenmasse nur zu 10-20% von Pflanzenfressern konsumiert, wovon nur die Hälfte verdaut wird. Der größte Teil der verdauten Masse wird für die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen gebraucht, besonders in Warmblütern, nur ein geringer Teil geht in die Neuproduktion. Die Raubtiere scheinen etwas effizienter in der Verwertung zu sein, weil deren Nahrung etwas verdaulicher ist. Die Wirbellosen verwandeln einen höheren Anteil der verdauten Nahrung in neues Gewebe, weil sie keine besondere Energien für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur brauchen.
  Trotz einiger Variationen geschieht in jedem Glied Nahrungskette in etwa das gleiche - es trägt nur einen kleinen Teil der Biomasse im nächsthöheren Glied. Um genug Nahrung zu finden, brauchen Pflanzenfresser daher ein großes Areal, Fleischfresser ein noch größeres. Diese greifen auch auf diverse Nahrungsstoffe zurück - sie sind viel eher Generalisten als auf bestimmte Nahrung spezialisiert. Sie sind gut angepaßt um so viel Energie wie möglich zu konservieren, durch Überwinterung und Wärmespeicherung, da die Pflanzenproduktion der Arktis nur gering ist. Arktische Ökosysteme können daher genauso wirksam sein wie Ökosysteme in südlicheren Bereichen, weil sie auf verschiedene Weise den klimatischen Bedingungen der Arktis und der beschränkten Nahrungszufuhr angepaßt sind.
  Wird also ein Großteil der primären oder auch Pflanzenproduktion verschwendet? Keinesfalls, denn Pflanzen transferieren einen bedeutenden Anteil ihrer Produktion in unterirdische Speicherorgane am Ende der Wachstumsperiode. Das ist ein Teil der Konsrervierungsstrategie, welche es ihnen ermöglich, im Frühjahr rasch zu wachsen. Die Masse der Pflanzen in Form von Wurzeln, Rhizomen, etc. ist weitaus größer als der Anteil, der oberirdisch zu sehen ist - eine generelle Erscheinungsform in der Arktis. Diese unterirdische Pflanzenmasse wird sowohl von einigen großen Pflanzenfressern ausgegraben, als auch von im Erdboden lebenden Spezies wie Würmern, Spinnen und Insekten als Nahrung benutzt. Die Nahrungskette setzt sich daher im Boden fort, wobei verrottendes Pflanzenmaterial und Exkremente als wichtige Nahrungsalternative dienen. In einer oder der anderen Form endet der Großteil der Pflanzenproduktion im Erdboden. Dort sorgt sie für eine weitaus größere Artenvielfalt von Mikroorganismen und Wirbellosen, und eine höhere Produktion, als es an der Oberfläche den Anschein hat.
  Abgestorbenes pflanzliches Material spielt eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von Ökosystemen, da es den Hauptanteil der kleinen Nährstoffmengen enthält, die neue Pflanzen absorbiert haben. Bei der Zersetzung durch Bakterien und Pilze und dem Transport durch die Nahrungskette im Erdboden werden die Nährstoffe der Pflanzenreste von Organismus zu Organismus tranferiert, freigesetzt und wieder von Wurzeln aufgenommen. Zugleich wird auch der Kohlenstoff wiederverarbeitet, allmählich jedoch durch Atmung freigesetzt und die Atmosphäre entlassen. Der Zersetzungsprozeß in der Arktis geht sehr langsam vor sich, z.T. wegen der niedrigen Temperaturen und aufgrund des Kühleffektes des Permafrostbodens. Sowohl der Mangel an Feuchtigkeit in gut durchlüfteten Böden als auch der Überschuß an Wasser, dort wo die Entwässerung nicht stattfindet, verringern die Zersetzungsrate. Pflanzenreste verlieren nur etwa 5-10% ihres Gewichtes im ersten Jahr. Diese Rate verringert sich noch, da auf längere Sicht nur die widerstandsfähigeren Reste beim Übergang in kältere Bodenlagen übrigbleiben. Die organischen Bodenbestandteile von Generationen von Pflanzen akkumulieren sich allmählich zu reiferen Böden. In Sümpfen kommt es durch Sauerstoffabschluß und sehr niedrige Temperaturen durch Wasseransammlung zur umfangreichen Torfbildung.
  Die Zirkulation von Kohlenstoff und Nährstoffen durch das Ökosystem geschieht entlang vieler verschiedener Wege und folgt diversen Prozessen. Das Ökosystem bildet keinen geschlossenen Kreislauf. Sowohl Kohlenstoff als auch die Nährstoffe gelangen aus der Atmosphäre in das System und zirkulieren darin. Einiges davon wird aus dem System ausgelaugt und gelangt so in Bäche und Flüsse. Der Großteil des Kohlenstoffes kehrt schließlich wieder in die Atmopshäre zurück. Das empfindliche Gleichgewicht zwischen Eintrag von Kohlenstoff in das Ökosystem und der Rückfluß in die Atmosphäre ist zum Mittelpunkt der Frage geworden, welche Rolle die nördlichen Regionen in der Frage des Klimawechsels spielen.
  Auch wenn die Pflanzenproduktion im Norden sehr gering ist, ist die Rate der Zersetzung äußerst niedrig. Als Ergebnis der allmählichen Akkumulation von Bodenmaterial enthalten die Böden des Nordens fast 25% des Kohlenstoffs auf der Erde, in Form von Sümpfen, Mooren und Torfmooren. Da die Böden der Arktis relativ jung sind, d.h. erst etwa 10.000 Jahre, haben sie allmählich Kohlenstoff als Pflanzendecke und organisches Bodenmaterial akkumuliert. Trotz der Rückkehr von Kohlenstoff in die Atmopshäre aufgrund der Respiration von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, hat das Ökosystem eine Nettobalance an Kohlenstoff, d.h. es hält mehr zurück als einfließt. Die Organismen dort haben also dazu beigetragen, den Anstieg von Kohlenstoff in der Atmosphäre, der für den Klimawechsel verantwortlich ist, zu verringern. Ironischerweise wird die gegenwärtige und vorausgesagte Erwärmung vermutlich die Zersetzungsrate in der Arktis erhöhen, wodurch mehr im Boden gespeicherter Kohlenstoff freigesetzt wird. Das Gleichgewicht zwischen Speicherung durch Photosynthese und Freisetzung durch die Verrottung oder Zersetzung wird anfangen zu schwanken. Die Ökosysteme der Tundra werden so wahrscheinlich in Zukunft zu Nettolieferanten von Kohlenstoff anstelle von Nettospeichern. Es gibt bereits Hinweise darauf, daß dies in Alaska schon heute geschieht.
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The Arctic Is an Ecosystem, by Bill Heal. http://www.thearctic.is
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