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Die Arktis IST
ein Ökosystem |
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Wenn man aus dem Weltraum herunterschaut
auf die Erde, durch den von Protuberanzen der Sonne erzeugten und
mit 200 Kilometern in der Minute dahinrasenden Solarwind, durch
die -200°C kalte, ozonausgedünnte Stratosphäre und
durch die in etwa 3 km Höhe liegende Grenzschicht zwischen
der oberen und unteren Atmosphäre, dann sieht man die Arktis
mit ihrem dominierendem Zentrum, dem arktischen Ozean mit seiner
Packeisdecke, in der winterlichen Dunkelheit daliegen. Das Eis bedeckt
im Winter etwa 15 Millionen km2, im Sommer wird es bis auf etwa
8 Millionen km2 reduziert. Es kann nach Süden bis zum schmalen
Zugang zum Atlantischen Ozean westlich von Grönland reichen,
sowie bis der etwa 500 km breiten Fram-Straße zwischen Grönland
und Svalbard, im deutsche Sprachgebrauch auch als Spiztbergen bekannt,
und der 72 km breiten Beringstraße zwischen dem autonomen
Bezirk der Tschuktschen und Alaska. Das Eis bedeckt auch teilweise
das den Arktischen Ozean umgebende Land, besonders zu erwähnen
sind die 1,7 Millionen km2 des grönländischen Eisschildes,
der bis zu 3200 m Eisdicke und ein Volumen von 2,8 Millionen km3
aufweist. Lange Gletscherzungen füllen die Täler der Gebirge
Norwegens, des Ural, des Kolyma-Gebirgszuges in Sibirien, in Alaska,
am Yukon und der Baffininsel, und reichen weit über den Polarkreis
hinaus nach Süden. |
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Viel Schnee fällt in den küstennahen
Gebieten, kaum Niederschläge gibt es dagegen in den polaren
Wüsten und Halbwüsten der kontinentalen Landmassen mit
ihren gemusterten Böden, auf denen Moschusochsen und Rentiere
nach Nahrung scharren, Wölfe und Füchse nach Aas suchen
und Eisbärinnen in Schneehöhlen ihre Jungen zur Welt bringen.
Unter der gefrorenen Oberfläche herrscht Permafrost, tiefreichend
und durchgehend in der Arktis, unterbrochen von frostfreien Zonen
in der Subarktis. Unter dem die tieferen Seen, Flüsse und Meeresregionen
bedeckenden Eis liegt die Wassertemperatur über dem Gefrierpunkt,
während die Lufttemperarturen bei -50°C oder darunter liegen
können. |
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Im jahreszeitlichen Rhythmus wird
das Meereis dünner und beginnt sich zurückzuziehen, wenn
die Sonne über den Horizont steigt und die Luft erwärmt.
Auf dem Festland schmelzen Schnee und Eis, die Flüsse füllen
sich mit Schmelzwasser, welches in großen Mengen in die küstennahen
Meeresteile fließt und dort sowohl die Wassertemperatur und
als auch den Salzgehalt verringert. Das Flußwasser zirkuliert
im Arktischen Ozean, in tieferen Bereichen, da es unter die wärmeren
Wasserschichten sinkt, und gelangt durch die Öffnungen an der
Beringstraße und zwischen Grönland und den Inseln um
Spitzbergen in Pazifik und Atlantik. Wale und Seehunde wandern nach
Norden, wo sie den Eisbären Nahrung bieten. Auf dem Land erwärmen
die Sonnenstrahlen die Bodenoberfläche und die darauf wachsende
Vegetation, wobei die Temperatur höher ansteigt als in der
Luft. Das Land explodiert buchstäblich über Nacht in Farben
- zum Teil weil es keine Nacht mehr gibt. Die nomadisierenden Rentiere
und Zugvögel, Gänse, Enten und Watvögel leben von
der aufblühenden Flora und den neuausgeschlüpften Insektenschwärmen.
Lachse wandern die Flüsse hoch, wo Bären schon darauf
warten, sie zu verschlingen. Unter der Oberfläche steigen die
Temperaturen langsamer an, der Boden taut auf und bildet eine aktive
Zone, in der Mikroorganismen ihre Tätigkeit wieder aufnehmen
und Insektenlarven ausschlüpfen. Organische Bodenbestandteile
können ebenfall wieder über der Permafrostschicht verrotten. |
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Es handelt sich hier um das Ökosystem
der Arktis - die Kryosphäre (cryos = griech. Eis). Dieses System
ist relativ selbsterhaltend (eine Art arktischer Mittelmeerraum),
Atmopshäre, Festland, Süßwasser und Ozean sind eng
miteinander verwoben, vertikal wie lateral. Stoffe zirkulieren,
von der Luft auf das Land und zurück, vom Süßwasser
ins Meer und von diesem wieder zurück auf das Land in Boden
und Gewässer. Meeresströmungen transportieren große
Mengen an Wasser hin und her und sorgen für die Drift von Eis,
chemische Stoffe, Tiere und Pflanzen breiten sich aus, auch Menschen
sind davon betroffen, überall in der Arktis und in ihren Randbereichen. |
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Wird auf dieses System Druck ausgeübt,
dann macht sich das auch in anderen Teilen des Systems bemerkbar.
Bei Klimaänderungen, die es schon immer gegeben hat, kommt
es zu erhöhten Schmelzwasserzirkulationen; wenn die Loddenpopulation
im Meer stark abnimmt, ist das auf dem Festland in der Nahrungskette
fühlbar. Schadstoffe, die an einem Ort in die Atmosphäre
oder ins Wasser gelangen, werden in andere Bereiche der Region transportiert. |
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Hier haben wir es mit einem integrierten,
dynamischen Ökosystem zu tun, welches von der Energie der Sonne
angetrieben wird.
Dieses System ist jedoch nicht vom Rest der Erde isoliert -
kein Ökosystem dieser Welt ist vollständig auf sich gestellt.
Das arktische System geht über in Systeme wärmerer Regionen,
zwischen denen es zu Interaktionen kommt. Die arktischen Luftmassen
geraten als kalte Luftmassen im Winter in den Süden, während
die Winde aus dem Süden warme Luft - und Schadstoffe - nach
Norden bringen. Säugetiere, Vögel und Fische wandern im
Sommer zu den nahrungsreichen Eisrändern, Küstenzonen,
Ästuaren und Feuchtgebieten, um dann im Winter wieder nach
Süden zu ziehen. Ozeanwasser kühlt sich ab, wenn es in
die nördlichen Bereiche gelangt, während das kalte Süßwasser
Teil des großen "Förderbandsystems" der Ozeane
wird - die sogenannte thermohaline Zirkulation - die signifikant
das Klima auch auf dem Festland bestimmt und Einfluß auf die
Bedingungen im Meer hat. |
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