|
Die Arktis als
Heimat
Religion |
|
Alle Völker des Nordens glauben
an eine enge Beziehung zwischen Mensch und Natur. Man sagt, daß
Tiere und Menschen einander verstehen können. Tiere wären
Geister, die das Schicksal der Menschen beeinflussen können.
Feindselige Geister verursachten Krankheiten, wohlwollende dagegen
würden Jägern helfen, indem sie ihnen Tiere zuführten.
Nach alter Sitte könne man die Wünsche eines Geistes durch
ein besonderes Medium, den Schamanen, herausfinden. Durch ein spezielles
Ritual versenkt sich der Schamane in Trance. So nahm man an, daß
der Geist des Schamanen dann seinen Körper verließe und
ins das Land der Geister flöge. Dort würde der Schamane
versuchen, die Seele eines Kranken, der von Geistern besessen war,
zurückzugewinnen, oder den Geistern das Versprechen abringen,
einen hungrigen Stamm mit Tieren zu versorgen. |
|
Unter manchen Inuit herrscht der Glaube
vor, Seehunde würden den Menschen von einem auf dem Meeresgrund
lebenden Geist zur Verfügung gestellt, der See-Frau genannt
wird. Wenn sich die Menschen schlecht benähmen, dann würde
die See-Frau sie bestrafen, indem sie die Jäger keine Seehunde
fangen läßt. Nach dem Töten eines Seehundes wird
ihm ein Schluck Wasser angeboten und damit seine Seele zum Meer
zurückgeleitet, damit sie im Körper eines neuen Seehundes
wiedergeboren wird. Da der Jäger dem Seehund Respekt und Achtung
beim ersten Mal entgegengebracht hat, wird "derselbe"
Seehund es erlauben, daß der Jäger ihn bei einer anderen
Gelegenheit wieder tötet. Auch wenn viele dieser Glaubenssätze
durch den Kontakt zum Christentum verändert worden sind, wird
es für die Jagd trotzdem heute noch als essentiell angesehen,
daß Jäger und Seehund sich gegenseitig respektieren. |
Bei der Herstellung von Skulpturen mit traditionellen Mustern in
einem Workshop. |
Diese Denkweisen stärken das
Ideal des Aufteilens und gemeinsamen Ausnutzen von Ressourcen, welches
in einer solch unwirtlichen Umgebung für das Úberleben
aller notwendig ist. Da der Seehund sich freiwillig dem Jäger
ergeben hat, muß dieser wiederum das Fleisch mit anderen teilen.
Entsprechend einem Brauch, der in manchen Gegenden Sibiriens als
Nimat bezeichnet wird, gilt es als gute Sitte, wenn ein Jäger,
der einen Elch oder ein anderes großes Tier erlegt hat, dieses
einem anderen Menschen schenkt. Das gilt besonders für junge
Leute, die gerade ihr erstes Tier zur Strecke gebracht haben, und
ist zugleich der Beweis dafür, daß sie jetzt vollgültige
Jäger geworden sind. Mancherorts in dieser Region können
auch Frauen ausgezeichnete Jäger werden. |
Einige dieser Glaubengrundsätze
sind in diesem Jahrhundert durch den Einfluß von christlichen
Missionaren, Schullehrern und Staatsbeamten abgeschwächt worden.
Schon seit längerem haben die indigenen Völker selbst
dem alten Glauben den Rücken zugekehrt, um "modern"
zu erscheinen. Trotzdem bleiben viele Ideen über die Beziehungen
zwischen Mensch und Tier lebendig. Manche Inuit in Grönland
flüstern immer noch ihr Dankeschön, wenn sie gerade einen
Seehund erlegt haben. Heute wenden sich viele in der jüngeren
Generation, die die zerstörerische Haltung der modernen Gesellschaft
der Umwelt gegenüber als furchtbares Beispiel vor Augen haben,
wieder den Ideen ihrer Vorväter zu, die jetzt in einem durchaus
positiven Licht gesehen werden.Sogar diejenigen, die nicht länger
an Geister glauben können, empfinden oft, daß eine besondere
Weihe über der Landschaft liegt, die man spürt, wenn man
alleine den Naturgewalten gegenüber steht. |
|