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Die Arktis ist dabei, sich zu verändern
Auf Mark Nuttall
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Barrieren für nachhaltige Entwicklung: der Stand der Arktis in der Weltwirtschaft
  Der Arktische Rat legt großen Wert auf Umweltschutz und Nachhaltige Entwicklung, besonders was die Fortsetzung der von der AEPS begonnenen Arbeit betrifft, wie aus einer gemeinsamen Erklärung des Rates zu entnehmen ist:
 

"Die Minister sehen die Einrichtung dieses neuen zwischenstaatlichen Forums als einen wichtigen Meilenstein in ihrer Verpflichtung an, die Zusammenarbeit in der Arktis zu verbessern. Der Rat möchte damit ein Instrument einrichten, um die gemeinsamen Sorgen und Herausforderungen ansprechen zu können, mit denen Regierungen und die Menschen der Arktis konfrontiert werden. Dazu berufen sich die Minister besonders auf den Schutz der arktischen Umwelt und nachhaltige Entwicklung als Mittel zur Verbesserung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wohlbefindens in der Arktis.;

  Wie ist das aber möglich, wenn es nur so von Projekten wimmelt, die keine Rücksicht auf Umweltschutz und die Bedeutung von nachhaltiger Entwicklung nehmen, und vom Geist der arktischen Zusammenarbeit gänzlich unberührt sind? Und wie kann Nachhaltigkeit überhaupt in der arktischen Region erreicht werden, wenn auch sie vom Auf und Ab der Weltwirtschaft beeinflußt wird? Riesige Unternehmungen gehen weiter, auch wenn die Euphorie über die AEPS und den Arktischen Rat dies für eine Weile überschattet haben mag. Aber es sind nicht nur die Staaten mit Territorium in der Arktis, die diese Region als zunehmend wichtiger für Rohstoffausbeutung ansehen. Die wirtschaftliche Zukunft der Arktis hängt von globalen und wirtschaflichen Prozessen ab, die die Region verwundbar für die Instabilität der Märkte in der Welt macht.
  Japan, Korea und die Staaten der EU bilden Märkte für wertvolle Güter aus der Arktis, wodurch sie fest in das globale Wirtschaftssystem eingebunden ist. Dicht besiedelte Regionen auf der Erde mit keinen oder nur wenigen Rohstoffen können die materiellen Anforderungen ihrer stetig wachsenden Bevölkerungen nicht mehr befriedigen. Sie schauen sich im Norden nach Fischereiprojekten, Kohlenwasserstofflagerstätten und Bergbauprodukten um. In Sibirien liegen 20% der Waldbestände der Erde, davon etwa 40% des gesamten Nadelholzbestandes, in der Beringsee findet sich einer der reichsten Fischgründe. Sie sind jedoch durch kommerzielle Überfischung gefährdet (die Köhlerfischerei wurde 1992 aus diesen Gründen eingestellt). Die Vereinigten Staaten sind nur eine von vielen Nationen, die zur Verarmung des Ökosystem der Beringsee beitragen. Überfischung durch eine große internationale Fangflotte hat auch ihre Spuren im marinen Ökosystem der europäischen Arktis hinterlassen. Es besteht ein dringender Bedarf, sich auf eine Regulierung der Fänge zu einigen, bemerkenswert ist jedoch, daß der Fischfang nicht einer der Mittelpunkt des Interesses an arktischer Zusammenarbeit geworden ist. Unklar ist, ob die Fischerei für den Arktischen Rat ein Diskussionspunkt wird, wenn es um nachhaltige Ausbeutung von Rohstoffen geht, außerdem ist man sich über den den Einfluß des kommerziellen Fischfangs auf die Umwelt nicht einig. Nach einem von der Europäischen Umweltagentur EEA herausgegebenen Bericht hat der kommerzielle Fischfang den größten Einfluß auf das marine Ökosystem, während ein anderer Bericht des Nordischen Ministerrates zum Ergebnis kommt, daß die Überfischung in europäischen Gewässern die Fischbestände nicht dezimiert hätte.
  Die von der AEPS und ihren verschiedenen Arbeitsgruppen begonnene und jetzt vom Arktischen Rat fortgesetzte Arbeit dreht sich hauptsächlich um die Beobachtung der Auswirkungen von Umweltprolemen in der Arktis, man produziert Berichte über den Zustand der Umwelt, reicht die Informationen weiter an Politiker, Wissenschaftler und an die Bewohner der Arktis und schlägt Aktionspläne für den Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung vor, durchzusetzen von den zuständigen Ministern. Während man sich weitgehend darüber einig ist, daß viele der Umweltprobleme der Arktis von südlicheren Regionen importiert sind, vermißt man bei der arktischen Zusammenarbeit auf dem Umweltsektor eine Beachtung der regionalen und globalen Dimension von Umweltfragen und Rohstoffnachfrage. Was im Rest der Welt vor sich geht, ist auch wichtig für die Arktis. Die Umweltdiskussion in der Arktis stellt die Region oft als ein natürliches Labor für Studien zu globalen Umweltveränderungen dar (eine nützliche Phrase, wenn es um die Rechtfertigung von Forschungszuschüssen bei wissenschaftlichen Stiftungen oder Forschungsräten geht), vergißt aber gleichzeitig, wie wichtig das Verständnis von Armut in den Entwicklungsländern, die Abholzung in Nepal, Flutkatastrophen in Bangladesch oder die Aktivitäten von grenzüberschreitenden Unternehmen in Südostasien für die Zukunft der Arktis,.ihrer Bevölkerung und ihrer Rohstoffe ist.
  Das Ökosystem der Arktis wird hauptsächlich durch die sozialen Umstände bedroht, die sich aus menschlichen Aktivitäten im lokalen, regionalen und globalen Bereich ableiten. Doch die Aufgabe der von der AEPS gegründeten Arbeitsgruppen ist bisher die Beobachtung der systematischen und kumulativen Auswirkungen von globalen Prozessen auf eine besondere Region gewesen, die ohne Zweifel eine geographisch gewaltige Ausdehnung hat. Stattdessen sollte man den Versuch unternehmen, die komplexen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Prozesse zu verstehen, die die genauen Gründe für die weltweite Dimension der Umweltveränderung und dem Drang nach Rohstoffen enthalten. Zukünftige Strategien für den Umweltschutz in der Arktis und die dortige nachhaltige Entwicklung würden davon profitieren, über einen auf die Arktis zentrierten Blickpunkt hinauszugehen, und so den Versuch zu unternehmen, wirtschaftliche, soziale und umweltgebundene Verflechtungen zwischen der Arktis und und anderer Regionen der Welt zu entwerfen
  Diejenigen, die verantwortlich sind für die Aufstellung von Umweltschutzinitiativen in der Arktis, müssen die Prozesse der Globalisierung berücksichtigen. Wie auch in fast jedem anderen Teil der Welt sind die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen in der Arktis wahrhaftig globalisiert worden. In der Arktis von heute ist fast jeder Lebensbereich beeinflußt und geformt von Ereignissen, Trends, Entscheidungen und Aktivitäten, die anderswo ablaufen. Nur ein Blick auf die gut sortierten Regale eines Supermarkts in Fairbanks, Alaska, oder das Kaffeetrinken mit einem Robbenjäger auf dem Eis in Nordgrönland (dessen Frau die Robbenfelle präpariert, die letztendlich für den japanischen Markt bestimmt sind) reicht aus, um zu zeigen, wie intensiv die Bewohner der Arktis bereits Teil des globalen Netzwerks von Produktion und Austausch sind. Da die Arktis auf komplexe Weise kulturell, ideologisch, wirtschaftlich und politisch untrennbar in das globale System eingebunden ist, besteht die Notwendigkeit, die Prozesse der Globalisation zu verstehen und Probleme wie die des Bevölkerungszuwachses, der Produktion, des technischen Fortschritts, des Verbrauchs und der Lebensweisen in globalem Zusammenhang zu sehen. Die wachsende Bevölkerung erfordert mehr Rohstoffe, die Weltproduktion versucht, mit der wachsenden Nachfrage Schritt zu halten. Das führt unweigerlich zur Erschöpfung natürlicher Ressourcen wie Öl, Gas, Kohle und Mineralstoffen und trägt zum weiteren Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid bei, führt zum Verlust von Lebensräumen und der Vernichtung von Floren und Faunen..
  Die Belastung der Umwelt geschieht nicht nur duch die industrialisierten Länder, vorangetrieben durch den Wunsch nach wirtschaftlichem Wachstum und Aufrechterhaltung von luxuriösem Lebensstil und pulsierender Wirtschaft (die japanische Industrie z.B. ist dabei, die tropischen Wälder von Sarawak und Sabah in Malaysia abzuholzen), sondern auch die Entwicklungsländer verursachen Umweltschäden. Ein Erbe des Kolonialismus war die Einrichtung von Gesellschaften, die sich heute nicht nur mit postkolonialen Systemen befassen müssen, sondern auch denselben Weg wirtschaftlicher Entwicklung wie die heute industrialisierten Ländern verfolgen. Viele der Entwicklungsländer müssen Wege finden, ihre wirtschaftliche Grundlage zu erweitern. Industrielle Entwicklung bedeutet den vermehrten Verbrauch fossiler Energieträger und höheren Ausstoß von Kohlendioxid. Entwicklungsländer müssen nicht nur ihre zunehmend größere Bevölkerung versorgen, sondern auch massive internationale Schulden abzahlen, was z.T eine der Ursachen von Abholzung wie z.B. im Amazonasgebiet ist. Zusätzlich wird die Umwelt in den Entwicklungsländern durch das Wachstum von Riesenstädten belastet. Trotz der Tatsache, daß die Mehrzahl der Menschen in den Industrieländern in Städten lebt, hat Afrika die am stärksten wachsende städtische Bevölkerung, und die Hälfte der Erdbevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts in Süd- und Südostasien leben. Die meisten Menschen werden hier in Städten leben, die nicht das produzieren, was sie zum Lebensunterhalt brauchen. Rohstoffe aus den ländlichen Gebieten, den Ozeanen und der Arktis werden entscheidend für eine zunehmend verstädternde Welt.
  Die Zukunft der Regionen der Arktis kann mit anderen außerhalb liegenden Regionen durch gemeinsame regionale wirtschaftliche, soziale und politische Interessen verknüpft werden. Im ihrem Buch The Age of the Arctic (1989) haben Osherenko und Young darauf verwiesen, wie wichtig es ist, die zukünftige Entwicklung in der Arktis eher im Sinne grenzübergreifender Verbindungen zu sehen und nicht wie im klassischen Modell die Arktis als Randlieferant für die Kerngebiete der Weltentwicklung zu sehen, so wie es unter den Bedingungen des internationalen Kolonialismus vergangener Jahrhunderte geschah. Nach ihren Vorschlägen können ausländische Investoren Kapital und fortgeschrittene Technologien für die arktische Entwicklung versprechen und Märkte schaffen, für die es keine lokale Nachfrage gibt. Nur in wenigen Ausnahmen hat dies bisher zu kolonialen Verhältnissen oder neokolonialen Beziehungen geführt. Direkte Investitionen der ausländischen Unternehmen oder Staaten wachsen immer noch rapide an und haben zu einem komplexen Netzwerk internationaler Beziehungen in der Arktis geführt.:
 
  Der Fischfang stellt eine gutes Beispiel dafür dar, wie internationale Betätigung die lokalen Lebensweisen beeinflußt und oft die Nachhaltigkeit verhindert. Lebensgemeinschaften, die von marinen Rohstoffen in der Arktis abhängig sind, und das gilt neben der Arktis auch für andere Regionen in der Welt, geraten unter den Einfluß der Globalisation, welche zunehmend in allen Bereichen des Lebens, ob sozial, politisch oder wirtschaftlich, fühlbar wird. Es ist wichtig, viele der Probleme in den an der Küste liegenden Gemeinden im Bezug auf die globale Reorganisation des Fischfang zu sehen. Desgleichen sollte man die Konkurrenz zwischen verschiedenen Fischarten und Fanggebieten, die Internationalisierung der Versorgung von Verarbeitungsfabriken und Absatzmärkten und die Umverteilung des Reichtums von den traditionellen Fängern, den lokalen Fischern und Verarbeitungsfarbriken, hin zu den mächtigen weltumspannden Akteuren, den internationalen Multis nicht aus dem Auge lassen. Eine der bedeutenderen Folgen der Globalisation für den Fischfang stellt auf markante Weise das gewandelte Rohstoffmanagement und der Übergang von Fisch als gemeinsame Ressource zu Privateigentum dar. So wandelt sich der Fischfang von einer Industrie oder einer Art , zu leben, unter Kontrolle und Regulierung lokaler, regionaler oder staatlicher Behörden, zu einem Geschäft, welches von einer Handvoll multinationaler Unternehmen dominiert wird.
  Die gegenseitigen Beziehungen zwischen internationalem Handel, der Umwelt und nachhaltiger Entwicklung sind noch wenig bekannt, die Richtung, die der Weltmarkt einschlägt, wird ausschlaggebend dafür sein, in wieweit nachhaltige Nutzung von lebendem marinen Rohstoffen überhaupt möglich wird. Z. Zt. stellt subventionierter Fischfang eines der Haupthindernisse für die Nachhaltigkeit dar; er verzerrt den Handel, schafft Überkapazitäten der Fangflotten und führt dadurch zur Überfischung und der Erschöpfung von Fischbeständen. Um Nachhaltigkeit erreichen zu können, müssen einzelne Staaten ihre Subventionierung ausklingen lassen. In diesem Zusammenhang ist die Vorreiterrolle Islands bemerkenswert. Man bemüht sich allgemein, Fischer dazu zu bringen, sich von gefährdeten Beständen abzuwenden und sich auf nachhaltige Fangtechniken konzentrieren. Dieses geschieht durch internationale Zusammenarbeit und die Aufstellung von Kriterien für Umweltzeichen von Fischprodukten. Neben der Teilnahme der FAO an dieser Arbeit haben auch NGO's und Unternehmen bedeutende Fortschritte darin gemacht, eine umweltfreundliche Praxis durch ein System von Umweltzeichen zu festigen. Ein gutes Beispiel dafür ist der MSC, der Rat für die Verantwortung für Ozeane (MSC = Marine Stewardship Council), eine Initiative von Unilever und des Worldwide Fund for Nature. Der MSC hat seine eigenen, weltweit geltenden Standards für nachhaltigen Fischfang und arbeitet an der Schaffung neuer Marktanreize, damit umweltfreundliche Fischfangpraxis belohnt werden kann. An sich kann dies eine Gefahr für die Überlebensfähigkeit von Küstengemeinden und lokalen Industrien, die auf Fischfang beruhen, darstellen, weil der Welthandel und Verbraucheraktivitäten zunehmend Wert auf die Sicherheit aus dem Meer stammender Produkte für die menschliche Nahrung legt. Obwohl das System von Umweltzeichen eine gute nachhaltige Praxis sichern soll, kann es in Wirklichkeit eine Handelsverzerrung unsichtbar machen. Die Leistungsfähigkeit eines solchen System wird man erst dann kennen, wenn die Wirkung auf die lokale Küstenwirtschaft und Fischfangtechnik erforscht und in Zusammenhang gebracht wird mit der Internationalisierung von Produktion und Handel, sowie von Aktivitäten und Einfluß der am Fischfang beteiligten Multis.
  Die Küstengemeinden, abhängig von der Ausbeutung lebender mariner Rohstoffe, sind gefährdet durch das Wechselspiel weltumspannender Kräfte, durch den Welthandel, durch die Umstrukturierung der Fischereiindustrie, durch den sich erweiternden Zuständigkeisbereich der Fischereipolitik und durch die Handlungen von Umweltschützern. Sie werden aber auch von innen heraus durch sich ändernde Dynamik des Zusammenlebens in der Gemeinde herausgefordert, die geringere Bedeutung von Familie und Verwandtschaft für die soziale Organisation des Fischfangs, verschiedene lokale Reaktionen auf den sozialen Wandel und durch Streit und Trennung innerhalb und zwischen lokalen und nationalen Gewerkschaften der Fischer. Die Küstengemeinden in Grönland, Island und Nordnorwegen sind traditionell gekennzeichnet von Fischfang in kleinem Umfang, gegründet auf Familien. Dort hatte sich eine besondere Form des Zusammenlebens auf der Grundlage von engen Verwandtschaftsbeziehungen gebildet, aus der die Besatzungen für Fischereiboote rekrutiert wurden. Die gegenwärtige Realität in vielen Küstengemeinden sieht dagegen so aus, daß die Leute in zunehmendem Maße auf Gewerkschaftsorganisationen angewiesen sind, zusätzlich zu oder sogar anstelle der früheren Verwandtschaftsbeziehungen. Wie es bereits in vielen Fischereigemeinden des Nordatlantiks der Fall ist, treten verstreute, von Arbeitsorganisationen kontrollierte und von formellen Vertragsbeziehungen dominierte Netzwerke an die Stelle von durch ihren Lebensraum definierten Gemeinden mit gemeinsamen Interessen, ausgedrückt durch enge Verwandtschaftsbeziehungen. Im immer moderneren und technisierten Grönland ist die Jagd komerzialisiert worden, während der Fischfang technisch kompliziert geworden ist. Die Fischer investieren in größeren und zunehmend besser ausgerüsteten Booten und gehen in den verschiedenen Gewässern Grönlands auf Fischfang. In einigen Fällen investieren vielleicht noch Verwandte, z.B. Brüder, in Booten, während in der Besatzung auch gutqualifizierte Außenstehende sind, die dann anstelle eines Anteils am Ertrag einen Lohn erhalten.
  Darüber hinaus ist die nachhaltige Nutzung von lebenden marinen Rohstoffen und die Überlebensfähigkeit lokaler Lebensweisen gefährdet durch die Transformation von Fischen, Seehunden und Walen von Rohstoffen, die gemeinsamer Nutzung unterworfen sind, zu in Privateigentum befindlichen, teilbaren Gütern, die rationaler Organisation und Kontrolle gehorchen. In Island ist das Prinzip des gemeinsamen Nutzungsrechts für lebende marine Rohstoffe seit der Besiedelung desLandes angewendet worden, in Grönland dagegen gehört traditionell niemandem ein Tier. In beiden Ländern, wie auch in anderen Fischereigemeinschaften des Nordatlantik, wird ein Fisch oder ein Meeressäuger erst dann zu einem Gut, welches ein Einzelner besitzen kann, wenn der Fang angelandet und damit Privateigentum geworden ist. Sogar dann können komplizierte lokale Regeln, Glaubenssätze und kulturelle Handlungen den exklusiven Sinn Privateigentum aufheben. In Grönland ist die gemeinsame Nutzung und kostenlose Verteilung von Fleisch der Sehhunde und anderer Meeressäuger eine Anerkennung der Schuld gegenüber dem Tier, welches sich dem Jäger gestellt hat und zugleich eine Ablehnung der Forderung nach exklusivem Eigentum der gefangenen Tiere. Daher hat die Entwicklung von Märkten für grönländische Fisch- und Fleischprodukte zu Debatten innnerhalb der Gemeinden über die angemessene Nutzung von marinen Rohstoffen geführt, während sie gleichzeitig eine Einkommensquelle für die einheimischen Jäger und Fischer darstellt. Für viele Leute enthält die Seehund- und Waljagd Beziehungen, die sich in ideologischen, natürlichen und kulturellen Begriffen äußern, und die gemeinsame Nutzung und das Verteilen von Fleisch ist einer der Kernpunkte der grönländischen Eigenbedarfskultur und der lokalen Identität - die Nutzung und Verteilung von Fleisch erhält und stellt soziale Beziehungen dar. In vielen Teilen des heutigen Grönlands geht zwar immer noch ein großer Teil des Fleisches an die direkte und erweiterte Familie des Jägers, mehr und mehr verkaufen aber Jäger und Fischer ein Teil ihrer lebenserhaltenden Beute an die Verarbeitungsbetriebe, die heute auch in den meisten Dörfern zu finden sind, wegen der bereits genannten Gründe. Wenn die Jagd stattfindet um eine Nachfrage außerhalb der lokalen Gemeinschaft oder regionalen Wirtschaft zu befriedigen, stellt sich das Gefühl ein, daß die gewohnte Ideologie des Eigenbedarfs, mit ihrer Betonung auf Verwandtschaft, Gemeinschaft, gemeinsamer Nutzung und Gegenseitigkeit, unterbrochen und unwiderruflich geändert worden ist.
  Die sich ändernde Natur des politischen und kulturellen Verständnisses, welches die Nutzung der Arktis lenkt, die Konsequenzen weltweiter Veränderungen, von Rohstoffknappheit und der einander widersprechenden zukünftigen politischen, kulturellen und ästethischen Werte machen ein theoretisches Überdenken des Status der Arktis im geopolitischen Rahmen notwendig. Jüngste geographische und politische Perspektiven wie die arktischen Regionen sich unter dem Druck geopolitischen, wirtschaftlichen und kulturellen verändern haben einige Fortschritte erzielt. Am Anfang des 21. Jahrhunderts werden der Wert von Forschungen in der Arktis, sowohl im natur- als wie auch geisteswissenschaftlichen Bereich, zunehmend daran gemessen werden, welchen Beitrag sie zum Verständnis globaler Fragen liefern. Es ist aber auch ebenso wichtig, die die globalen Prozesse im Auge zu behalten, wenn wir die gegenwärtige Lage der Arktis und ihre Stellung imglobalen System verstehen wollen.
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The Arctic is changing by Mark Nuttall. http://www.thearctic.is
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