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Die Arktis ist dabei, sich zu verändern
von Mark Nuttall
KAPITEL:
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Eine gefährdete Umwelt
  Man kann sich kaum über längere Distanzen in der Arktis fortbewegen, ohne die Einwirkungen des industriellen kapitalistischen Systems einerseits und die Folgen jahrzehntelanger Exzesse der sozialistischen Ideologie andererseits wahrzunehmen oder daran erinnert zu werden, wie wichtig die Region zur Zeit des Kalten Krieges war. Ausgedehnte Ölfelder, wie die Prudhoe-Bucht an der Nordküste Alaskas sind mit Großstadtzentren über ein immer dichteres Netz von Versorgungspisten verbunden. Öl- und Gaspipelines, manche von ihnen rostig und leck, winden sich Hunderte von Kilometern durch durch Tundra und Gebirgszüge. Die für seismische Explorationen notwendigen Meßbahnen sowie Kalhlschläge in den Wald der Taiga haben sich tief in die boreale und Tundralandschaft eingegraben. .
  Sogar in entlegenen Gebieten, weit von menschlichen Behausungen entfernt, wird man unfreiwillig mit industriellen und militarischen Abfällen konfrontiert und an die Empfindlichkeit und Verwundbarkeit der Arktis erinnert, und damit zugleich an die aufdringliche Art und Weise menschlicher Aktivitäten. An die nur sehr selten von Menschen betretene Küste im Nordosten Grönlands (unbewohntes Gebiet innerhalb eines Nationalparks) werden Plastiktüten, Fischernetze, Stacheldraht, Treibstoffkanister und Bierflaschen angespült. Auf der Seward-Halbinsel in Alaska haben die Einwohner verrostende Flugzeugbatterien in Flüssen entdeckt, welche Sommerlager von Fischern mit Trinkwasser versorgen, sowie von der US-Armee hier entsorgte Fahrzeuge und halb in der Tundra vergrabene Behälter mit Senfgas. Im Jahre 1994, fünf Jahre nachdem etwa 40 Millionen Liter Rohöl von der Nordküste Alaskas stammend aus der auf Grund gelaufenen Exxon Valdez die Prince-William-Straße verseucht hatten, sprachen die Fischer noch immer davon, wie sie mit den Einwirkungen dieser Katastrophe auf ihren Lebensunterhalt zurechtkommen könnten
  Der Unfall der Exxon Valdez im Jahre 1989 in der Prince-William-Straße illustriert die Gefahren des Öltransports auf See, die jüngsten Lecks aus russischen Ölpipelines werfen Fragen nach deren Sicherheit und Zuverlässigkeit auf. Zwischen 5% und 10% der russischen Ölproduktion gehen schätzungsweise durch Lecks, durch unkontrolliertes Auslaufen aus Ölquellen, Verschwendung und Diebstahl verloren. Geringere Mengen an Öl aus Schiffen, z.B. Tankern, Frachtern, Fischerbooten und Fähren stellen eine Verschmutzungsquelle dar, die zwar nicht direkt zu kontrollieren ist, jedoch einen signifikanten Einfluß auf das Ökosystem haben kann. Eisbären, Seehunde, Seeotter und Seevögel sind bereits häufig Opfer von Ölverschmutzungen, während die Züge der Pottwale durch Öl- und Gasprospektionsgebiete in der Tschuktschen-See bei fortschreitender Entwicklung ernsthaft gefährdet sind. Zoologen haben die Neugier von Eisbären beschrieben, die ohne Zögern unbekannte Objekte und Gerüche erkunden, ob es sich nun um Offshore-Bohrplattformen oder Öltonnen in den arktischen Dörfern und den Jägerlagern der Inuit handelt. Sie riskieren auch durch direktes Verschlucken von Öl ihr Leben, indem sie an ölverseuchten Fellen lecken oder durch Öl verschmutzte Vögel und Seehunde fressen.
  Die Zersetzung von Öl dauert in der Arktis wesentlich länger, weil dort geringere Temperaturen herrschen und weniger Lichteinfall während der meisten Zeit die für Zerfallsprozesse notwendige UV-Strahlung reduziert. Die Wirkung von Ölverschmutzung auf das Ökosystem der Tundra kann für längere Zeit sichtbar bleiben, z.B. in Flechten, die die Hauptnahrung der Rentiere darstellen, sowie auch auf anderen, besonders für Verschmutzung anfällige Pflanzen. Auf dem Festland können Eis und Schnee das Öl immobil machen, nur damit es während der Frühjahrsschmelze doch in die Umwelt gelangt, genau zu der Zeit, wenn die Zugvögel eintreffen. Das arktische Treibeis reduziert die Wellenbewegungen, die in südlicheren Klimaten die Effekte von Ölverschmutzungen mildern würden. Brennendes Öl verursacht Rauchwolken, die durch Inversion der arktischen Luft in Bodennähe konzentriert werden. Rauchwolken verringern nicht nur die Sonneneinstrahlung, sondern enthalten auch gefährliche Schadstoffe für die menschliche Gesundheit und die Produktivität der marinen und terrestrischen Umwelt..
  Andere Bedrohungen der arktischen Umwelt und der Menschen mögen vielleicht weniger sichtbar sein, sind jedoch keineswegs harmloser. Die UVB-Einstrahlung gefährdet beim Menschen Haut, Augen und das Immunsystem. Die Verschmutzung des Meeres und der Atmosphäre bedeuten das Eindringen von organischen Schadstoffen in die Nahrungskette auf jeder Ebene. Weil diese persistenten organischen Schadstoffe in der Arktis langsamer abgebaut werden als in wärmeren Regionen, stellen sie eine größere Gefahr für Menschen und Tiere dar. Polychlorierte Biphenyle (ölige, künstlich hergestellte Substanzen, besser bekannt als PCB's, die u.a. aus Abfalldeponien evaporieren oder bei der Verbrennung von Ölen entweichen) sind in der Muttermilch kanadischer Inuitfrauen nachgewiesen worden. Sie können Krebs verursachen und beeinträchtigen das Nervensystem und den Hormonhaushalt von Kindern. Höhere PCB-Konzentrationen finden sich auch in einigen Seehund- Walroß- und Eisbärenpopulationen, was die Reproduktionsfähigkeit dieser Tiee gefährdet. Hohe Quecksilberkonzentrationen wurden in Seehundarten, z.B. den Ringel- und Bartrobben, nachgewiesen, die nicht nur eine wichtige Nahrung für die Eisbären darstellen, sondern auch die Grundlage der auf Jagd beruhenden Eigenbedarfskultur vieler Inuit-Gruppen. In Grönland hat jeder sechste gefährlich hohe Quecksilberkonzentrationen im Blut, unter den bei den Inuit nachgewiesenen Schadstoffen befinden sich Toxaphen und Chlordan. Die marinen Ökosysteme und die der Tundra sind durch hohe Schwermetallgehalte und das Entsorgen von Atommüll gefährdet. Atomtests haben auf und bei Novaja Semlja im russischen Teil der Arktis stattgefunden, deren Radioaktivität auf den Nordatlantik und die Barentssee ausgestrahlt hat. Die höchsten Radioaktivitätswerte an der norwegischen Küste sind allerdings nicht Folge des russischen Atomarkomplexes, sondern werden durch den Transport radioaktiver Substanzen aus französischen und englischen Wiederaufbereitungsanlagen verursacht.
  Die durch vermehrte Emissionen von Treibhausgasen vorangetriebene globale Erwärmung der Atmosphäre bedroht auch die Arktis und die Lebensumstände der indigenen Volksgruppen. Die arktischen Ökosysteme sind besonders empfindlich für Klimawechsel, und eine prognostizierte Erhöhung der mittleren Wintertemperaturen um das drei- bis sechsfache des globalen Mittels dürfte eine ziemliche Bedrohung darstellen. Es gibt bereits Hinweise auf wärmere Winter in der Arktis und den subarktischen Regionen. Während man mit einer Erwärmung der Erdoberfläche in den nächsten 50-100 Jahren um 2°C bis 5°C rechnet, wird für die Arktis eine Erwärmung bis zu 10°C erwartet. Die globale Erwärmung reduziert das Meereis, Permafrostgebiete werden eine rascheres Auftauen im Frühjahr und ein späteres Einfrieren im Herbst erleben, man wird eine Fluktuation der Fischbestände registrieren und die Wanderwege von Tieren wie der Karibus können durch die sich den veränderten Umweltbedingungen anpassenden Lebensräume der Taiga, Tundra und Küstenbereiche unterbrochen werden. Ein Klimawechsel wird auch Millionen von Zugvögel beeinflussen, wenn sie mit weniger Nahrung an ihren Landeplätzen, Überwinterungs- und Brutplätzen auskommen müssen. Jagd, Fallenstellen und Fischerei der indigenen Bevölkerung werden beeinflußt werden, die wirtschaftlichen Bedingungen kleinerer, weit von allen anderen entfernter Lebensgemeinschaften, die bereits ernsthaft durch die veränderte globale Wirtschaft bedroht sind, könnten drastisch unter einem Klimawechsel leiden. 
  Die Klimaprozesse in der Arktis beeinflussen das globale Geschehen, was sich dann später wiederum in der Arktis auswirkt. Einige Wissenschaftler weisen jedoch darauf hin, daß aus weltweiten Daten eine Erwärmung der Erdoberfläche um 0,3°C bis 0,6°C in den letzten hundert Jahren herauszulesen ist, daß aber regionale Studien einen weltweiten Trend nicht erkennen lassen. In der Arktis handele es sich um saisonale und örtlich unterschiedliche Entwicklungen der atmosphärischen Temperatur. Trotzdem sind die Klimaerkenntnisse einigermaßen alarmierend, was die Arktis betrifft, wenn durch Abschmelzen von Eis der Polareiskappen ein Ansteigen der Ozeanoberfläche eintritt, was ein Überfluten niedriggelegener Großstädte und ganzer Länder wie z.B. der Niederlande und Bangladeschs zur Folge haben könnte. Durch vermehrtes Abschmelzen von Eis in Permafrostgebieten werden gewaltige Mengen an Methan in die Atmosphäre emittiert, was wiederum den Treibhauseffekt unterstützt. Eine andere Folge der Erwärmung ist eine dichtere Wolkendecke durch verdampfendes Wasser, welches auch ein potentes Treibhausgas darstellt. Nebem der Ozonloch über der Antarktis ist auch ein solches über der Arktis festgestellt worden. Wenn dort der Ozongehalt noch weiter abnimmt und sich das Loch vergößert, rechnen Wissenschaftler mit Auswirkungen nicht nur für die Arktis, sondern für den ganzen Planeten. Da Ozon in der Stratosphäre in Höhen zwischen 20 und 50 km die UV-Strahlung der Sonne effektiv reduziert, bedeutet seine Reduzierung, daß mehr dieser gefährlichen Strahlung die Erdoberfläche erreicht. Als Resultat können Mutationen in Pflanzen auftreten, außerdem besteht eine höheres Risiko für Hautkrebs bei Tieren und Menschen. Auch die Reduzierung von Ozon trägt zur Erwärmung der Erdoberfläche bei. Einer der Hauptgründe für die Ausdünnung der Ozonschicht sind Chlorfluorkohlenstoffe (CFK's), künstlich hergestellte Stoffe, die als Kühlmittel und Treibgase eingesetzt wurden, die zwar an der Erdoberfläche chemisch träge sind, dadurch aber in größere Höhen der Lufthülle entweichen können, wo sie ihre ozonvernichtenden Aktivitäten entfalten. 
  Die Arktis hat den ungewollten Vorteil, ein naturgeschaffenes, wissenschaftliches Laboratorium für globale Umweltprobleme zu sein. Einige der besten Beispiele während der letzten Jahre dafür, daß die Umweltprobleme der Arktis nicht hausgemacht sind, sondern globalen Ursprungs, betreffen die Kontaminierung von Flechten und Rentieren (die sich von Moosen ernähren) in Nordskandinavien als Folge des Reaktorunfalls in Tschernobyl und der Nachweis von hohen PCB-Gehalten in der Muttermilch von nordkanadischer Inuitfrauen (viermal so hoch wie in der Muttermilch von Frauen im südlichen Teil Kanadas). Ein besonderes Problem stellt der arktische Smog dar, der durch Ferntransport von atmosphärischen Schadstoffen hervorgerufen wird. Dieser besonders im Winter problematische photochemische Smog entsteht durch von weit her antransportierte Schadstoffpartikel, die aus industriellen Aktivitäten Eurasiens wie der Verfeuerung von Energieträgern wie Kohle und Öl, sowie aus der Stahlproduktion stammen. Durch die kältere Luft sind die Schadstoffpartikel länger stabil als in wärmeren Regionen und bewirken längere Smogperioden. Unter diesen Partikeln ist Schwefeldioxid am häufigsten, welches den atmosphärischen Energiefluß stört und sauren Regen verursacht. Weiterhin tragen die Partikel Schwermetalle wie Kupfer, Zink und Blei sowie Arsen, die in Flechten und Moosen in Alaska, Norwegen, Schweden und Finnland nachgewiesen wurden und auch auf reiche Fischgründe in der Arktis niederregnen. [Viðbót þýðanda: zwei der größten Umweltverschmutzer in der Arktis und Verursacher mit der größten offensichtlichen Umweltschäden, z.B. Hunderte von km2 toter Wald, sind die metallproduzierenden Komplexe der Kola-Halbinsel und der Stadt Norilsk in Rußland.] .
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The Arctic is changing by Mark Nuttall. http://www.thearctic.is
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